Stellungnahme der IALANA zur Kissinger-Stiftungsprofessur an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Univ
Stellungnahme der IALANA zur Kissinger-Stiftungsprofessur
an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Zusammenfassung: Die unter der Ägide und Verantwortung Henry Kissingers verübten weltweiten Verbrechen mit unzähligen Opfern und
die damit verbundenen eklatanten Brüche des Völkerrechts machen ihn als Namensträger der Stiftungsprofessur inakzeptabel.
Eine solche Namenswahl hätte weitreichende fatale Konsequenzen. Damit würde insbesondere bei jungen Juristinnen und Juristen sowie Völkerrechtlerinnen und Völkerrechtlern die Botschaft verbreitet: Selbst wenn ein prominenter Wissenschaftler in wichtigen politischen Funktionen Völkerrecht bricht und Menschenrechte in schwerwiegender Weise
verletzt, steht dies seiner akademischen Ehrung nicht entgegen.
Kissinger wird dadurch zur Gallionsfigur einer Außenpolitik, die mit einer fortwährenden Geringschätzung und Missachtung
des Völkerrechts unter dem Deckmantel des »Realpolitik«-Euphemismus verbunden ist.
Die sogenannte »Realistische Schule« der Außenpolitiker behauptet, dass das oberste Interesse von Staaten die Akkumulation
von Macht sei. Was immer die Fernziele internationaler Politiken seien, Macht sei immer das unmittelbare Ziel von
Staaten, um ihre Position in der Staatenkonkurrenz zumindest nicht zu verschlechtern. Aufgrund dieses gleichsam anarchischen
Charakters der internationalen Beziehungen sähen sich deshalb die Staaten regelmäßig gezwungen, zur Selbsthilfe zu greifen, um allein oder mit Hilfe von Verbündeten durch Machtakkumulation Sicherheit zu gewinnen. Die Beachtung
völkerrechtlicher Normen sei dabei nur insoweit erforderlich, als sich dies als politisch opportun erweise. Die Funktion des Völkerrechts sei deshalb, so die »Realisten« und »Neo-Realisten«, darin zu sehen, staatlichen Interessen beim
Kampf um die Macht zu dienen. Die Berufung auf das »Recht« – zusammen mit »Moral«, »Sitten« und ähnlichen Kategorien – sei eine Möglichkeit für Staaten, den wahren Antrieb ihres Handelns, nämlich das Streben nach Macht, zu kaschieren.
Forderungen nach Beachtung des geltenden Völkerrechts werden deshalb von ihnen als »legalistisch« oder »weltfremd« diffamiert.
Die seitens des Bundesverteidigungsministeriums sowie des Auswärtigen Amtes finanzierte Stiftung einer »Henry-Kissinger-Professur für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung« kommt letztlich einer Missachtung der im Völkerrecht normierten Werte gleich.
Zur Person des Namensgebers:
Heinz Alfred Kissinger, genannt »Henry«, war in den Jahren von 1969 bis 1977 eine zentrale Figur in der Außenpolitik
der Vereinigten Staaten von Amerika, zunächst als Nationaler Sicherheitsberater (1969-1973), danach als Außenminister (1973-1977)
.1 Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der »Realistischen Schule« sowie der »Realpolitik« – Realismus und Idealismus
gelten als die »Urtheorien« internationaler Politik, die sich fundamental voneinander unterscheiden: Während
„Realisten“ argumentieren, dass aufgrund der anarchischen Strukturen im internationalen System die Staaten zwangsläufig
eine Machtpolitik betreiben, die sich gegebenenfalls über grundlegende Normen und Werte hinwegsetzt, unterstreicht
der in der Tradition von Immanuel Kant und Woodrow Wilson stehende „Idealismus“, dass auch in solchen Strukturen
die von Machtakkumulation geleitete Politik durch Normen, Werte und die Vernunft begrenzt werden kann.
2 Die UNCharta und die Verfassungen der modernen Demokratien wie die US-Verfassung und das Grundgesetz verlangen dementsprechend
die strikte Bindung aller staatlichen Gewalt an das geltende Völkerrecht.
1 Jan Fleischhauer, Der Schwarze Kanal: Die Akte Kissinger, in: »Spiegel Online«, 24.04.2013,
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/henry-kissinger-professur-an-universitaet-bonn-tuecken-der-realpolitik-a-965934.html.
2 Bernhard Zangl · Michael Zürn, Frieden und Krieg: Teil I – Theorien der internationalen Beziehungen in der nationalen Konstellation,
2003, S. 26 f.
Henry Kissinger hat zwar im Januar 2007 gemeinsam mit William Perry, George Shultz und Sam Nunn im »Wall Street Journal« erfreulicherweise den Aufruf »A World Free of Nuclear Weapons« veröffentlicht und damit maßgebend die
»Global-Zero-Initiative« unterstützt.
3 Das lässt aber nicht vergessen, dass Kissinger als Wissenschaftler und Politiker regelmäßig den Griff zu den Mitteln der
Realpolitik im Widerspruch zu rechtlichen und moralischen Verpflichtungen propagiert und verteidigt hat. Das damit
verbundene Dilemma ist ihm bewusst. Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet seine Schilderung der Unterstützung des
Massenmörders Pol Pot und der »Roten Khmer« in Kambodscha durch den US-Präsidenten Jimmy Carter.
In seinem neuesten Buch »China« heißt es dazu: »Amerikanische Ideale waren auf die Sachzwänge der geopolitischen
Realität geprallt. Es war kein Zynismus, geschweige denn Heuchelei, die zu dieser Haltung geführt hatten: die Regierung
Carter musste sich zwischen strategischen Notwendigkeiten und moralischen überzeugungen entscheiden. Sie gelangte
zu dem Schluss, dass sie sich, wenn sie am Ende ihre moralischen überzeugungen durchsetzen wollte, zuerst in der geopolitischen
Auseinandersetzung behaupten musste. Die amerikanischen Staatschefs standen vor dem Dilemma der Staatskunst.
«4 Für das 1973 unterzeichnete Pariser »Abkommen über die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Friedens
in Vietnam« erhielt Kissinger gemeinsam mit Lê Đức Thọ den Friedensnobelpreis, der von dem vietnamesischen
Preisträger allerdings nicht angenommen wurde, da die USA entgegen dem geschlossenen Vertrag den Krieg mit einer
Intensivierung des Bombardements nordvietnamesischer Städte fortsetzten und darüber hinaus auf Laos und Kambodscha
ausweiteten.
Die Verfolgung durch die Nationalsozialisten im Deutschen Reich wegen seines jüdischen Glaubens und die dadurch
erzwungene Emigration in die USA gemeinsam mit seinen Eltern prägten den jungen Kissinger nachhaltig. Angesichts
dieses biografischen Hintergrundes ist die Wandlung zu einem Politiker, der Völkerrecht brach und Menschenrechte geringschätzte,
umso erstaunlicher.5
Kissingers ausgesprochen »legeres« Verhältnis zu Recht und Gesetz ist hinreichend dokumentiert.6
Dabei kommen die gegen ihn erhobenen massiven Vorwürfe nicht allein aus der Wissenschaft, die sich im Rahmen zeithistorischer
und politischer Forschung mit seinem Wirken auseinander setzt,7 sondern sind Gegenstand mehrerer anhängiger
Gerichtsverfahren, denen er sich bislang erfolgreich entzogen hat, sei es als Zeuge oder als Angeklagter.
Im Rahmen eines Prozesses zum Verschleppen und Verschwinden von französischen Staatsbürgern während der Militärdiktatur
in Chile versuchte beispielsweise der Untersuchungsrichter Roger Le Loire, Kissinger als Zeugen vorzuladen.
Die Zustellung der Terminsladung scheiterte an der überstürzten Flucht des US-Amerikaners aus dem Hotel und daran
anschließend aus Paris.8
Anhand dreier exemplarisch ausgewählter Völkerrechtsverbrechen soll Kissingers Beteiligung und Verantwortlichkeit
näher beleuchtet werden – dies sind
die Luftangriffe gegen Laos und Kambodscha (1969-1973);
der Militärputsch in Chile und der Sturz Präsident Allendes (1973);
das Massaker in Ost-Timor (1975).
3 George P. Shultz · William J. Perry · Henry A. Kissinger · Sam Nunn, A World Free of Nuclear Weapons, in: »Wall Street Journal«,
04.01.2007, http://online.wsj.com/news/articles/SB116787515251566636.
4 Henry Kissinger, China – Zwischen Tradition und Herausforderung, 2011, S. 383.
5 European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Das Kissinger-Projekt, 14.09.2012,
http://www.ecchr.de/index.php/id-2012-archiv/articles/das-kissinger-projekt.html.
6 Wolfgang Kaleck, Wer bringt Kissinger vor Gericht?, in: »Ossietzky – Zweiwochenschrift für Politik, Kultur, Wirtschaft«, 18/2002,
http://www.sopos.org/aufsaetze/3d8b6867e8751/1.phtml.
7 Klaus Meschkat, Der Fall Kissinger und die Uni Bonn, in: »Blätter für deutsche und internationale Politik«, 02/2014, S. 91-92 (91).
8 Paulo A. Parangua, La justice française condamne les accusés jugés pour la disparition de Français au Chili, in: »Le Monde«, 18.12.2010,
http://www.lemonde.fr/ameriques/article/2010/12/18/la-justice-francaise-condamne-les-accuses-juges-pour-la-disparition-de-francaisau-
chili_1455173_3222.html.
Völkerrechtliche Beurteilung der Luftangriffe gegen Laos und Kambodscha:
Die Vereinigten Staaten flogen auf Laos und Kambodscha im Zeitraum zwischen 1969 und 1973 unzählige Luftangriffe,
die knapp eine Million Opfer forderten. Beide Länder waren von den USA in internationalen Abkommen als neutral anerkannt
worden und befanden sich mit ihnen nicht im Kriegszustand. Zum Zweck der Zerstörung von Nachschubwegen
und Stützpunkten der Nordvietnamesischen Truppen wurden dessen ungeachtet jedoch diese Luftangriffe mit ausgedehnten
Flächenbombardements ausgeführt, bei denen entgegen dem Humanitären Völkerrecht (»ius in bello«) nicht zwischen
Kombattanten und Nicht-Kombattanten unterschieden wurde.9
In Laos kamen mehr als 350 000 Menschen durch zahlreiche Flächenbombardements, die ganze Dörfer und auch zivile
Einrichtungen wie Tempel und Krankenhäuser zum Ziel hatten, ums Leben.10
Kambodscha andererseits wurde in Kenntnis und in vollem Bewusstsein um die Zahl der in der jeweiligen Angriffsregion
lebenden Zivilisten mit Bombenabwürfen überdeckt – diese Kampagne umfasste in der Folge stärker bevölkerte Gebiete
und führte mittelbar zur Machtübernahme durch die »Roten Khmer«, die während ihrer fünfjährigen Herrschaft über eine
Million Kambodschaner umbrachten.
Gemäß den nach den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen benannten »Nürnberger Prinzipien« gelten als Kriegsverbrechen
alle Rechtsbrüche oder Brüche der Gebräuche des Krieges, darunter Grausamkeiten an der Zivilbevölkerung sowie
die mutwillige Zerstörung von Städten oder Dörfern, die nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt sind
(»Grundsatz VI b«). Das hat auch in den Zusatzprotokollen zu den Genfer Konventionen seinen Niederschlag gefunden.
Dementsprechend verstoßen Flächenbombardements gegen das Diskriminierungsgebot nach den Artikeln 48, 51 Absatz 5
des Zusatzprotokolls I zu den Genfer Konventionen.
Ferner besteht auch eine strafrechtlich relevante Verantwortlichkeit militärischer Befehlshaber und anderer Vorgesetzter,
soweit sie solche Verbrechen anordneten oder Kenntnis davon hatten, dass Untergebene sie begingen oder im Begriff
waren, sie zu begehen, und die nicht alles in ihrer Macht Stehende unternahmen, um eine drohende Begehung zu verhindern.
Kissinger war in seiner Funktion als nationaler Sicherheitsberater des US-Präsidenten Nixon involviert in die politische
Planung, Anordnung und überwachung der militärischen Operationen; heute verteidigt er sich damit, dass die Regionen,
in denen sich die Angriffsziele befanden, nicht bevölkert gewesen seien.
Kissinger hat es jedenfalls unterlassen, als Sicherheitsberater und Mitglied der US-Regierung diese Kriegsverbrechen zu
stoppen und dafür zu sorgen, dass die Täter zur Verantwortung gezogen wurden.
Völkerrechtliche Beurteilung des Militärputsches in Chile:
Nach der Wahl Salvador Allende Gossens’ zum Präsidenten Chiles im September 1970 begannen die Vereinigten Staaten
Schritte einzuleiten, um die als feindlich eingestufte sozialistische Regierung zu stürzen.
Kissinger erkundigte sich nach vorliegenden Dokumenten zeitnah nach Allendes Wahlsieg bei der US-Botschaft in Chile
um eine Lageeinschätzung hinsichtlich der Erfolgsaussichten eines Militärputsches. Nachfolgend leitete er die Planungen
zur Unterstützung eines Sturzes des chilenischen Präsidenten in einem Ausschuss namens »40 Committee«, dem Berater
aus Justiz, Militär und Geheimdiensten angehörten.11 Das Vorgehen war in verschiedene Stufen unterteilt: die erste bestand
darin, durch Propaganda und Erzeugen von wirtschaftlichem und politischem Druck den Amtsantritt Allendes zu
verhindern. Nach dem Scheitern dieses ersten Plans organisierte und überwachte Kissinger die nächste Stufe, in der mit-
9 Nicole Barrett, Holding Individual Leaders Responsible for Violations of Customary International Law: The U.S. Bombardement of
Cambodia and Laos, in: »Columbia Human Rights Law Review«, 32/2001, S. 429-476 (450 f.).
10 Fred Branfman, America Keeps Honoring one of its Worst Mass Murderers: Henry Kissinger, in: »AlterNet«, 16.04.2013,
http://www.alternet.org/news-amp-politics/america-keeps-honoring-one-its-worst-mass-murderers-henry-kissinger.
11 Seymour M. Hersh, The Price of Power, in: »The Atlantic Monthly«, 12/1982, http://www.theatlantic.com/past/docs/issues/82dec/hersh.htm.
tels Entführungen und Ermordungen ein politisches Umfeld der Bedrohung geschaffen werden sollte, das einem Militärputsch
in die Hände spielen sollte.12
Am 11. September 1973 riss schließlich das chilenische Militär unter Führung des Generals und späteren Diktators Augusto
Pinochet Ugarte und dank tatkräftiger Mithilfe des US-Geheimdienstes CIA die Macht an sich.13 Der gestürzte Präsident
Allende nahm sich noch während der andauernden Bombardierung des Präsidentenpalastes durch die Putschisten
das Leben.
Im Anschluss an den Militärputsch begannen massenweise politisch motivierte Verhaftungen und Folterungen, wobei
öffentliche Gebäude und private Einrichtungen wie die Siedlung »Colonia Dignidad« zu Konzentrationslagern umfunktioniert
wurden.14 Aufgrund fehlender Dokumentationen aus der Anfangszeit der Junta gehen die Schätzungen der Opferzahlen
weit auseinander. Unbestritten ist, dass es mindestens 4 000 Tote gab, zehntausende Opfer gefoltert oder verschleppt
wurden und zigtausende Chilenen aus ihrer Heimat fliehen mussten,15 darunter knapp 10 000 Menschen in die
damalige DDR sowie in die Bundesrepublik.
Ungeachtet der internationalen Verurteilung des brutalen Pinochet-Regimes förderten die USA die neuen Machthaber:
1976 überwiesen die Vereinigten Staaten 290 Millionen US-Dollar an direkter Finanzhilfe.16
Die Handlungen, die 1973 zum Umsturz in Chile führten, verstießen nicht nur gegen das völkerrechtliche Interventionsverbot,
sondern darüber hinaus auch gegen das in der Satzung der Vereinten Nationen normierte Gewaltverbot gemäß
Artikel 2 Ziffer 4, das »jede gegen […] die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen
der Vereinten Nationen unvereinbare […] Anwendung von Gewalt« untersagt.
Die verübten Folterungen, politisch motivierten willkürlichen Verhaftungen, Internierungen und Ermordungen stellen
eklatante Menschenrechtsverletzungen und Brüche des Völkerrechts dar. Die massenhaften Folterungen und Ermordungen
verstießen gegen das Tötungs- und Folterverbot aus den Artikeln 6, 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und
politische Rechte, nach denen »niemand willkürlich seines Lebens beraubt« oder »der Folter oder grausamer, unmenschlicher
oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden [darf]«.
Die CIA ist durch Weisung des US-Präsidenten ermächtigt, mit verdeckten Operationen politische und militärische Einflussnahme
im Ausland zu betreiben, wobei sie sich oft illegaler Mittel bedient.17
Kissinger war die treibende Kraft hinter der Destabilisierung Chiles – persönlich unterrichtete er Präsident Nixon über die
vermeintliche Bedrohung für die Vereinigten Staaten durch eine erfolgreiche, demokratisch legitimierte Regierung Allende.
18 Den US-geförderten Staatsstreich der chilenischen Putschisten pries er in einem Telefongespräch mit Nixon als eine
heroische Tat, die alleine durch die »Klagen der weinerlichen Presse über den Sturz eines pro-kommunistischen Regimes
« ins falsche Licht gerückt würde.19
Völkerrechtliche Beurteilung der Massaker in Ost-Timor:
Nachdem Ost-Timor Ende November 1975 seine Unabhängigkeit ausgerufen hatte, marschierte die indonesische Armee
unter dem Befehl General Suhartos am 07. Dezember 1975 ein. Der Invasion unter dem Namen »Operation Komodo«
war tags zuvor ein Besuch des US-Präsidenten Ford und seines Außenministers Kissingers voran gegangen, bei dem bei-
12 Christopher Hitchens, The Trial of Henry Kissinger, 2001, S. 54.
13 Central Intelligence Agency (CIA), CIA Activities in Chile, 18.09.2000, https://www.cia.gov/library/reports/general-reports-1/chile/index.html.
14 Comisión Nacional sobre Prisión Política y Tortura, Informe, 2004, S. 351.
15 Michael Zezima, Nothing but Human Rights, in: »MIT Western Hemisphere Project«, 16.08.2001,
http://web.mit.edu/hemisphere/events/kissinger-chile.shtml.
16 Eduardo Galeano, Las venas abiertas de América Latina, 2010, S. 223.
17 David Isenberg, The Pitfalls of U.S. Covert Operations, in: »Cato Policy Analysis«, 118/1989, S. 1-20 (11).
18 The National Security Archive (NS Archive), Kissinger and Chile: The Declassified Record on Regime Change, 11.09.2013,
http://www2.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB437/
19 The National Security Archive (NS Archive), Kissinger and Chile: The Declassified Record on Regime Change, 11.09.2013,
http://www2.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB110/.
de Suharto ihre Unterstützung zusicherten, sofern die Annexion schnell und erfolgreich abgeschlossen würde. Die Unterstützung
durch die Vereinigten Staaten und Australien schloss Ausrüstung sowie Waffen ein.20
Indonesien entsandte 20 000 Soldaten in die Region; Schätzungen zufolge wurden durch die anschließenden Kämpfe und
Brandschatzungen durch die indonesischen Streitkräfte bis zu 100 000 Ost-Timorer getötet und 300 000 in Internierungslager
verbracht.21
Die Handlungen der indonesischen Armee erfüllen nach den vorliegenden Informationen den Tatbestand des Völkermords
nach Artikel II der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes. Danach ist als Völkermord
zu qualifizieren die Tötung von Mitgliedern einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe mit dem Ziel
ihrer ganzen oder teilweisen Zerstörung, respektive die vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe,
die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen.
Die Verantwortlichkeit im Völkerstrafrecht von Beteiligten bei Verbrechen wie Völkermord oder Verbrechen gegen die
Menschlichkeit fußt auf drei Voraussetzungen – dass ein Verbrechen vorliegt; dass die beschuldigte Person einen erheblichem
Beitrag zur Begehung des Verbrechens geleistet hat; dass die beschuldigte Person die Begehung des Verbrechens
beabsichtigte.
Kissinger machte Suharto gegenüber dezidiert klar, dass die US-Regierung seinen Invasionsplänen wohlwollend gegenüber
stand und zu diesem Zweck entsprechende Schritte zur Manipulierung der öffentlichen Meinung einleiten würde.
Mit seiner Zusicherung räumte er Zweifel Suhartos an der Zustimmung der Vereinigten Staaten zur gewaltsamen Annexion
aus und festigte bei Letzterem den Entschluss, mit der militärischen Operation fort zu fahren.
Dadurch und mit logistischer Unterstützung sowie Waffenlieferungen leistete er zusammen mit dem US-Präsidenten einen
erheblichen Beitrag zum Völkermord an den Ost-Timorern. Offenbar geschah dies mit dem Ziel, eine vermeintlich
kommunistische Bedrohung in Ost-Timor im Keim zu ersticken.
Zur Person des neuen (ersten) Inhabers der »Kissinger-Professur«:
James D. Bindenagel, der Mann, der ab dem Wintersemester 2014/2015 erster Inhaber der Professur an der Rheinischen
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn sein wird, ist kein unbeschriebenes Blatt: Mit über 30 Jahren Berufserfahrung im
diplomatischen Dienst der Vereinigten Staaten sowie als US-Botschafter in Deutschland von 1996 bis 1997 gilt er als
Fachmann für transatlantische Beziehungen mit besonderem Augenmerk auf dem Verhältnis zwischen der Bundesrepublik
und den USA. Laut Bindenagel hat »die deutsche Öffentlichkeit […] noch nicht das Diktum Friedrichs des Großen
akzeptiert: Diplomatie ohne Waffen ist wie ein Orchester ohne Instrumente«, so sein Fazit im Hinblick auf deutsche »außenpolitische
Befindlichkeiten«.22
Damit erweist er sich als konsequenter Verfechter einer Strömung, die Militäreinsätzen als vorrangigen sowie legitimen
Instrumenten zur Durchsetzung machtpolitischer Interessen das Wort redet.23 Sein Aufsatz über Afghanistan, der nach
dem Ende seiner diplomatischen Karriere publiziert wurde, setzt sich ausführlich mit der deutschen Rolle bei Kampfeinsätzen
auseinander.
Bindenagel postuliert, dass sich die Bundesrepublik als NATO-Mitglied uneingeschränkt und in vollem Umfang an militärischen
Kampfaktionen oder Kriegen beteiligen müsse. Diese Forderung schließt gleichzeitig die Unterstützung deutscher
Politiker durch die USA beim Niederringen des Widerstandes aus der Bevölkerung gegen kriegerische Operationen
ein.
20 The National Security Archive (NS Archive), East Timor Revisited: Ford, Kissinger and the Indonesian Invasion, 1975-1976,
06.12.2001, http://www2.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB62/.
21 East Timor Action Network (ETAN), 15.07.2014, http://www.etan.org/news/kissinger/.
22 René El Saman, Diplomatie mit Waffen, in: »Blätter für deutsche und internationale Politik«, 07/2014, S. 41-42 (41).
23 James D. Bindenagel, Afghanistan: The German Factor, »PRISM«, 04/2010, S. 95-112 (102).
Berücksichtigt man, welche außenpolitische Linie Kissinger, der Namensträger der Stiftungsprofessur während seiner
Zeit als Nationaler Sicherheitsberater des US-Präsidenten und später als US-Außenminister verfolgte, gewinnt die Formulierung
des Bonner Universitätsrektors Jürgen Fohrmann, dass Bindenagels Berufung auf den Henry-Kissinger-Lehrstuhl
»Forschung und Lehre beflügeln« könnte, eine ganz neue Qualität
24 – nicht zuletzt durch den Umstand, dass das Verteidigungsministerium
zusammen mit dem Auswärtigen Amt die Professur an den Strukturen des Universitäts-
Fachbereiches vorbei finanziert.
Ein leidenschaftlicher Befürworter zunehmender Militarisierung als prominenter Hochschullehrer an einer deutschen
Universität ist ein in seiner Reichweite nicht zu unterschätzender Schritt hin zum Ziel der erfolgreichen neuen Konditionierung
des akademischen Nachwuchses, von dem man erwartet, dass er in Zukunft mit dieser Prägung Positionen mit
Entscheidungskompetenz einnehmen wird.
Gefährdung der Unabhängigkeit von Forschung und Lehre:
Beispiellos ist, dass sich das Bundesministerium für Verteidigung, das zwei eigene Bundeswehruniversitäten im Hamburg
und München betreibt, nun erstmals in eine allgemeine Universität hineindrängt, die immerhin dem Postulat der unabhängigen
Forschung und Lehre verpflichtet ist. Ganz offen erklärt die Sprecherin des Verteidigungsministeriums dazu,
Ziel sei es, die politische Debatte in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik zu »verbreitern«.25
»Verbreitern« – das meint ohne Zweifel die überwindung der in der Bundesrepublik fest verankerten Ablehnung militärischer
Auslandseinsätze der Bundeswehr. Eine derartige »Auftragsforschung« lässt sich nicht als unabhängig darstellen.
Zu Recht protestieren nicht nur die Studenten der Bonner Universität, sondern auch über 100 Hochschuldozenten und
eine zunehmend kritische Öffentlichkeit gegen diese Stiftungsprofessur.
24 Auswärtiges Amt, Bundesregierung würdigt Henry Kissinger mit Stiftungsprofessur, 26.05.2013, http://www.auswaertigesamt.
de/DE/Infoservice/Presse/Meldungen/2013/130526_Kissinger_Professur.html.
25 WDR – Westpol, In heikler Mission, 29.06.2014, http://www1.wdr.de/fernsehen/regional/westpol/sendungen/kissingerprofessur100.
html.
09.09.2014.
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